Der Karlsruher Chemiker-Kongress - ein Meilenstein in der Geschichte der Chemie
Inhalt
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Allgemeines
Der Karlsruher Kongress begründete damit eine bis heute andauernde Tradition von chemischen Fachtagungen. Das 150-jährige Jubiläum im Jahre 2010 nimmt die Fakultät für Chemie und Biowissenschaften des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zum Anlass, ein Festkolloquium zu veranstalten, das genau am 3. und 4. September statt fand: Das 150th Anniversary Weltkongress Chemie - Progress and Challenges in Chemistry.
Die Exponate
Die KIT-Bibliothek stellt anlässlich des Jubiläums eine Auswahl von zeitgenössischen Standardwerken der Chemie und Publikationen von Kongressteilnehmern vor. Alle Exponate sind digitalisiert und in der folgenden Übersicht chronologisch aufgelistet.
Chemisches Journal für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunst und Manufacturen / Crell, Lorenz Florenz Friedrich. - Lemgo : Meyer
Über die Veröffentlichung: Das "Chemische Journal für die Freunde der Naturlehre" gilt allgemein als die erste chemische Fachzeitschrift weltweit. Sie wurde 1778 gegründet von Lorenz Friedrich von Crell (1744 - 1816). Crell war von 1771 bis 1773 Professor der Chemie und Mineralogie am Collegium Carolinum Braunschweig, ab 1774 ordentlicher Professor der Medizin. Von 1783 bis 1810 war er auch Professor der Philosophie und Medizin an der Universität Helmstedt und schließlich Professor der Chemie an der Universität Göttingen.
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1781 | |
Crell, Lorenz Florenz Friedrich: Die neuesten Entdeckungen in der Chemie / gesammelt von D. Lorenz Crell. - Leipzig : Weygand
Über den Autor: Biographische Informationen finden Sie bei den Veröffentlichungen aus dem Jahre 1780.
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1808 | |
Dalton, John: A new system of chemical philosophy / by John Dalton. - Reprod. in facs. [1954] London : Bickerstaff, 1954. - VI, 560 S.; (englisch)
Über den Autor:John Dalton (1766-1844) war englischer Naturforscher und Lehrer und gilt als einer der Wegbereiter der modernen Chemie. In seinem 1808 veröffentlichten Buch "A new system of chemical philosophy" vertrat er die Theorie, dass jedes Element aus gleichartigen Atomen bestehe, die in einem relativen Gewicht zueinander stehen. Daher bilden sich chemische Verbindungen nach einfachen, ganzzahligen Zahlenverhältnissen (Gesetz der multiplen Proportionen). Neben seinen Überlegungen zur Atomtheorie beschäftigte sich Dalton auch mit Meteorologie und formulierte 1805 das Daltonsche Gesetz des Partialdrucks, nach dem bei idealen Gasen, die nicht miteinander reagieren, der Gesamtdruck des Gemischs gleich der Summe des Partialdrucks der einzelnen Gase ist.
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1837 | |
Berzelius, Jöns Jacob von: Die Anwendung des Löthrohrs in der Chemie und Mineralogie / von J. Jacob Berzelius. - 3. Aufl. Nürnberg : Schrag, 1837. - XXIV, 320 S. : 4 graph. Darst.(Kupfertaf.);
Über den Autor: Jöns Jakob Berzelius (1779-1848) war der herausragende Chemiker zu seiner Zeit. Er entdeckte zahlreiche Elemente, bestimmte die Atomgewichte aller zu seiner Zeit bekannten Verbindungen und führte die heute übliche Symbolschreibweise für Summenformeln in der Chemie ein. Zudem entwickelte er die chemische Elementaranalyse weiter. Er arbeitete als Professor für Chemie am Karolinska Institutet in Stockholm.
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1840 | |
Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf
Über den Autor: Justus von Liebig (1803-1873) war Professor der Chemie in Gießen und München und einer der wichtigsten Chemiker des 19. Jh. Neben der Ausbildung von Chemikern und der Weiterentwicklung analytischer Verfahren in der organischen Chemie befasste er sich unter dem Eindruck der zu Beginn des 19. Jh. kritischen Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung mit der Anwendung der Chemie in der Landwirtschaft.
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1852 | |
Gmelin, Leopold: Cohäsion, Adhäsion, Affinität, unwägbare Stoffe und unorganische Verbindungen der nichtmetallischen wägbaren Stoffe / Gmelin, Leopold. - 5. Aufl. / mit aus dem Engl. des Dr. Watts übersetzten und eigenen Zusätzen bis auf die neueste Zeit erg. von K.List. - Heidelberg : Winter, 1852. - XXXVI, 915 S. : 4 Taf.; (deutsch). - (Gmelin, Leopold: Handbuch der Chemie ; 1)
Über den Autor: Leopold Gmelin (1788-1853) war Teil der weitverzweigten Tübinger Gelehrtenfamilie Gmelin und Professor an der Universität Heidelberg. Sein wichtigstes Werk war das "Handbuch der anorganischen Chemie", mit dem Gmelin das ehrgeizige Ziel verfolgte, alle relevanten Daten der (anorganischen) Chemie der Zeit zusammenzutragen. Bis 1997 wurde das Handbuch vom Gmelin Institut in Frankfurt herausgegeben. Bis zur Einstellung der Herausgabe waren 760 Bände des Handbuchs mit rund 240.000 Seiten erschienen, zuzüglich eines Gesamtregisters "Gmelin Formula Index" mit 35 Bänden. Das Werk existiert heute als Teil der elektronischen Datenbank Reaxys.
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1853 | |
Weltzien, Karl [Hrsg.]: Das chemische Laboratorium an der Großherzoglichen Polytechnischen Schule zu Carlsruhe / hrsg. von C.
Über den Autor: Carl Weltzien (1813-1870) war Schüler von Friedrich Wöhler (1800-1882) und Eilhard Mitscherlich (1794-1863) in Berlin. Er wurde 1841 an das Polytechnikum in Karlsruhe berufen und leitete dort seit 1850 die chemische Abteilung. 1851 hatte er den Bau eines chemischen Laboratoriums nach dem Vorbild von Liebigs Labor in Gießen umsetzen können - die Kosten des Labors betrugen 25.000 Gulden und damit fast die Hälfte des Gesamtetats des Polytechnikums. Damit und dank einer soliden personellen Ausstattung der drei chemischen Lehrstühle stieg Karlsruhe in die erste Reihe der deutschen Universitätschemie auf.
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1856 | |
Berzelius, Jöns Jacob von: Lehrbuch der Chemie. - Dresden ; Leipzig :
Über den Autor: Biographische Informationen finden Sie bei den Veröffentlichungen aus dem Jahre 1837.
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1860 | |
Weltzien, Karl : Systematische Zusammenstellung der organischen
Über den Autor: Biographische Informationen finden Sie bei den Veröffentlichungen aus dem Jahre 1853.
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1861 | |
Kekulé, August: Lehrbuch der organischen Chemie oder der Chemie der
Über den Autor: Friedrich August Kekulé von Stradonitz (1829-1896) hatte an der Universität Gießen, durch Justus von Liebigs Vorlesungen inspiriert, von der Architektur zur Chemie gewechselt und war nach der Promotion und Auslandsaufenthalten in Paris, der Schweiz und England in Belgien Professor für Chemie an der Universität Gent, wo er seine bahnbrechenden Arbeiten zur Strukturaufklärung der aromatischen Kohlenstoffverbindungen durchführte. 1867 ging er nach Bonn. Sein Name ist heute vor allem verknüpft mit seiner 1865 postulierten Idee der ringförmigen Anordnung der sechs Kohlenstoffatome im Benzol, der prototypischen aromatischen Substanz. Er war die treibende Kraft hinter dem Karlsruher Chemikerkongress.
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1864 | |
Weltzien, Karl: Systematische Übersicht der Silicate / Karl Weltzien. -
Über den Autor: Biographische Informationen finden Sie bei den Veröffentlichungen aus dem Jahre 1853.
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1869 | |
Fresenius, Remigius: Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse : oder die Lehre von den Operationen, von den Reagentien und von dem Verhalten der bekannteren Körper zu Reagentien,
Über den Autor: Carl Remigius Fresenius (1818–1897) studierte nach einer Apothekerlehre in Bonn Chemie. Dort verfasste er 1841 die Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse, das zum Standardwerk der chemischen Analytik wurde und 17 Auflagen erfuhr. Er war Assistent von Liebig in Gießen und wurde 1845 als Professor für Chemie, Physik und Technologie an das herzoglich-nassauische landwirtschaftliche Institut in Wiesbaden berufen. Er begründete hier 1848 das Institut Fresenius, das analytische Untersuchungen durchführte und chemisches Personal ausbildete, und 1862 die Zeitschrift "Fresenius Zeitschrift für analytische Chemie". Sie ist in der Zeitschrift "Analytical and bioanalytical chemistry" im Springerverlag aufgegangen (ISSN 1618-2650, www.bibliothek.uni-regensburg.de/ezeit/?1459122).
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1876 | |
Meyer, Lothar: Die modernen Theorien der Chemie und ihre Bedeutung für die chemische Mechanik / von Lothar Meyer. - 3., umgearb. Aufl. - Breslau : Maruschke & Berendt, 1876. - XXVII, 351, S., 1 Falttaf.; (deutsch)
Über den Autor: Lothar Meyer (1830-1895) war einer der Teilnehmer des Karlsruher Chemikerkongresses. Er hatte Chemie und Physik studiert, war von 1866 bis 1876 Professor der Chemie in Karlsruhe und seit 1876 Professor der Chemie in Tübingen. Er ist neben Dmitri Mendelejew (1834-1907) Mitbegründer des periodischen Systems der chemischen Elemente, das beide zeitgleich1870 publizierten. Beiden wurde für diese Leistung 1882 die Davy Medaille der britischen Royal Society verliehen.
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1883 | |
Meyer, Lothar: Die Atomgewichte der Elemente aus den Originalzahlen neu berechnet / von Lothar Meyer und Karl Seubert. - Leipzig : Breitkopf & Härtel, 1883. - X, 245 S.; (deutsch)
Über den Autor: Biographische Informationen finden Sie bei den Veröffentlichungen aus dem Jahre 1876.
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1886 | |
Wurtz, Adolphe: La théorie atomique / par Ad. Wurtz,... ; précédée d'une introduction sur la vie et les travaux de l'auteur par Ch. Friedel. - 4e édition. - Paris: F. Alcan. 1886. - viii, lv, 248 p. : fold. diagr. Auteur(s). - (Bibliothèque scientifique internationale ; 27)
Über den Autor: (Charles) Adolphe Wurtz (1817-1884) war gebürtiger Elsässer aus Wolfisheim bei Straßburg, hatte dort an der Universität in Medizin promoviert und danach bei Liebig in Gießen studiert. Ab 1845 ging er als Assistent zu Dumas nach Paris und folgte diesem 1853 auf dem Lehrstuhl für Pharmazie und organische Chemie an der Fakultät für Medizin nach. 1875 übernahm er den neu geschaffenen Lehrstuhl für organische Chemie an der Sorbonne. Seine Hauptarbeitsgebiete waren die Chemie der Kohlenwasserstoffe und der organischen Stickstoffverbindungen. Zusammen mit Kekulé und Weltzien organisierte er den Chemikerkongress in Karlsruhe.
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1890 | |
Meyer, Lothar: Grundzüge der theoretischen Chemie / von Lothar Meyer. - Leipzig : Breitkopf & Härtel, 1890. - XI, 206 S. : 2 Taf.; (deutsch)
Über den Autor: Biographische Informationen finden Sie bei den Veröffentlichungen aus dem Jahre 1876.
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1891 | |
Cannizzaro, Stanislao: Abriss eines Lehrganges der theoretischen Chemie : vorgetragen an der K. Universität Genua ; (1858) / von S.Cannizzaro. Übers. von Arthur Miolati. Hrsg. von Lothar
Über den Autor: Stanislao Cannizzaro (1826-1910), in Palermo geboren, studierte Medizin in Palermo und Chemie in Pisa. Er wurde 1851 Professor für Chemie in Alessandria, später in Genua, Palermo und Rom. Sein bleibender Verdienst ist die klare Unterscheidung von Atom- und Molekulargewicht. Unter Rückgriff auf die Erkenntnisse von Amedo Avogadro ließ Cannizzaro von der Bedingung der Unteilbarkeit eines Moleküls ab und stellte die These auf, dass das Wasserstoffmolekül zwei einzelne Wasserstoffatome mit dem Atomgewicht 1 enthält.
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1892 | |
Festgabe zum Jubiläum der vierzigjährigen Regierung seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs Friedrich von Baden : in Ehrfurcht dargebracht von der technischen Hochschule in Karlsruhe. - Karlsruhe, 1892. - LXXXVIII, 373 S. : zahlr. Ill., graph. Darst.; (deutsch)
Über die Veröffentlichung: Diese Festschrift zum Jubiläum der 40-jährigen Regierung von Großherzog Friedrich von Baden stellt die wichtigste Quelle über den Karlsruher Kongress dar. In ihr beschreibt der Karlsruher Chemiker und Schüler von Weltzien, Karl Engler (1842-1925), den Karlsruher Chemikerkongress und gibt eine deutsche Übersetzung von Wurtz' Sitzungsprotokoll wieder, das nicht mehr überliefert ist.
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1896 | |
Meyer, Lothar: Die Atome und ihre Eigenschaften / Meyer, Lothar. - 6. Aufl. - Breslau : Maruschke & Berendt, 1896. - XVIII, 171 S. : graph. Darst.; (deutsch)
Über den Autor: Biographische Informationen finden Sie bei den Veröffentlichungen aus dem Jahre 1876.
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1933 | |
Stock, Alfred [Hrsg.]: Der internationale Chemiker-Kongreß, Karlsruhe 3. - 5. September 1860 vor und hinter den Kulissen : zur 38. Hauptversammlung der Deutschen Bunsen-Gesellschaft in Karlsruhe, 25. - 28. Mai 1933 / zsgest. von Alfred Stock. - Berlin : Verl. Chemie, 1933. - 47 Bl. : Ill.; (deutsch)
Über die Veröffentlichung: Die Beschreibung des Karlsruher Kongresses, die der Karlsruher Chemieprofessor Alfred Stock (1876-1946) anlässlich einer Tagung der Bunsen-Gesellschaft in Karlsruhe 1933 erstellte, enthält im Anhang als Faksimile 11 Briefe bekannter Chemiker, die Wurtz, Weltzien und Kekulé als Antwort auf die Einladung zum Kongress erhielten. Weder diese Originale noch die anderen 118 Briefe sind erhalten geblieben. Stock wurde bekannt durch seine Untersuchung zur Toxizität von Quecksilber und Amalgamfüllungen.
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2007 | |
Hoepke, Klaus-Peter: Geschichte der Fridericiana : Stationen in der Geschichte der Universität Karlsruhe (TH) von der Gründung 1825 bis zum Jahr 2000 / von Klaus-Peter Hoepke ; hrsg.von Günther Grünthal ... - Karlsruhe : Universitätsverlag, 2007. - 210 S. : Ill., Kt.; (deutsch). -
Über die Veröffentlichung: In der Geschichte der Fridericiana von 2007 findet man Abbildungen der frühen chemischen Gebäude aus dem 19. Jh.
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Fotos der Ausstellung
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Chemie in der Mitte des 19. Jahrhunderts
Die Chemie war Mitte des 19. Jahrhunderts als wissenschaftliche Disziplin erst frisch formiert und litt noch unter einem erheblichen Theoriedefizit. Insbesondere in Fragen des Atom- und Molekülbaus vertraten verschiedene „Schulen“ unterschiedliche Ansichten. Die Atome waren als kleinste Bausteine der chemischen Verbindungen zwar allgemein akzeptiert, über ihren Aufbau war aber so gut wie nichts bekannt. Man vertrat unterschiedliche Ansichten auch bei anderen grundlegenden theoretischen Fragen wie der Basisgröße der Atomgewichte. Auch die Nomenklatur und Formelschreibweise war höchst uneinheitlich. Es existierte jedoch noch kein Forum, in dessen Rahmen man die aktuellen Probleme hätte diskutieren können. Deshalb ergriffen drei junge Professoren der Chemie die Initiative, einen Kongress zu organisieren, um im Diskurs mit Fachkollegen die strittigen Fragen zu klären, und luden die wichtigsten Vertreter des Faches für den 3. bis 5. September 1860 nach Karlsruhe ein. Die geographische Lage von Karlsruhe ließ auf die Teilnahme einer größeren Anzahl französischer Kollegen hoffen. Zudem besaß die Karlsruher Chemie schon damals einen guten Ruf.
Die Organisatoren des Kongresses
- Friedrich August Kekulé von Stradonitz (1829-1896) hatte an der Universität Gießen zunächst Architektur studiert und war dann, durch Justus von Liebigs Vorlesungen inspiriert, zur Chemie gewechselt. Nach der Promotion und Auslandsaufenthalten in Paris, der Schweiz und England wurde er Professor für Chemie an der Universität Gent in Belgien, wo er seine bahnbrechenden Arbeiten zur Strukturaufklärung der aromatischen Kohlenstoffverbindungen durchführte. 1867 ging er nach Bonn. Sein Name ist heute vor allem verknüpft mit seiner 1865 postulierten Idee der ringförmigen Anordnung der sechs Kohlenstoffatome im Benzol, der prototypischen aromatischen Substanz.
- Carl Weltzien (1813-1870) war Schüler von Friedrich Wöhler (1800-1882) und Eilhard Mitscherlich (1794-1863) in Berlin. Er wurde 1841 an das Polytechnikum in Karlsruhe berufen und leitete dort ab 1850 die Chemische Abteilung. Hier brachte er den Lehrbetrieb auf einen modernen Stand und forschte über Stickstoffverbindungen, Silbersalze und Mineralwässer.
- Charles Adolphe Wurtz (Karl Adolph Würtz, 1817-1884) war gebürtiger Elsässer aus Wolfisheim bei Straßburg, hatte dort an der Universität in Medizin promoviert und danach bei Liebig in Gießen studiert. Ab 1845 ging er als Assistent zu Dumas nach Paris und übernahm 1853 in dessen Nachfolge den Lehrstuhl für organische and mineralische Chemie an der Fakultät für Medizin. 1875 wechselte er auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für organische Chemie an der Sorbonne. Kekulé kannte Wurtz seit einem Aufenthalt in London 1852.
Der Kongress
Die Tagung fand im großen Sitzungssaal des Karlsruher Ständehauses in der Ritterstraße statt und wurde vom badischen Innenministerium unterstützt. 127 Chemiker reisten aus Europa und Übersee an und diskutierten während drei Tagen Fragen der Nomenklatur und des Molekülbaus, darunter berühmte Namen wie Robert Bunsen (1811-1899), Adolf von Baeyer (1835-1917), Emil Erlenmeyer (1825-1909), Hermann von Fehling (1811-1885), Carl Remigius Fresenius (1818-1897), Hermann Kopp (1817-1892), Friedrich Konrad Beilstein (1838-1906), Jean-Baptiste Boussingault (1802-1887), Jean-Baptiste Dumas (1800-1884), Stanislao Cannizzaro (1826-1910), Dmitri Iwanowitsch Mendelejew (1834-1907) und Lothar Meyer (1830-1895).
Wenn auch durchgreifende Ergebnisse ausblieben, kann der Karlsruher Chemikerkongress als das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Chemie zur Mitte des 19. Jahrhunderts gelten. Das Zusammentreffen so vieler Chemiker aus dem In- und Ausland wirkte katalytisch auf die weitere Entwicklung der theoretischen Chemie. Insbesondere die im Gefolge sich allgemein durchsetzende Akzeptanz der Avogadro-Ampère-Theorie und die anschließende Entwicklung des Periodensystems wurden durch den Kongress unzweifelhaft befördert.
Die Chemie in Karlsruhe um 1860
Die TH Karlsruhe, 1825 als „Großherzogliche Badische Polytechnische Schule“ nach dem Vorbild der École Polytechnique in Paris gegründet, genoss als erste technische Hochschule in Deutschland einen guten Ruf und hatte 1851 auf Betreiben Weltziens ein neues chemisches Laboratorium nach dem Vorbild von Liebigs Labor in Gießen erhalten. Die Kosten betrugen 25.000 Gulden und damit fast die Hälfte des Gesamtetats des Polytechnikums. Das Labor befand sich an der Nordwestseite des heutigen Ehrenhofes, wo sich heute Gebäude 11.40 befindet. Damit und dank einer soliden personellen Ausstattung der drei chemischen Lehrstühle stieg Karlsruhe in die erste Reihe der deutschen Universitätschemie auf.